Gespräch mit René F.

Es ist Martinsbasar in der Christophorus-Schule. René brät, gemeinsam mit seinen Mitspielern von der Band 'Rükkenwind', in einer riesigen Pfanne Pilze, auch Kartoffeln mit Quark werden verkauft. Der Erlös, so erzählt er auf dem Weg zum Musiktherapie-Raum, spenden sie, nach Abzug des Anteils für die Schule, einem von der Band bestimmten, guten Zweck.  

René, wann sind sie zur Christophorus-Schule gekommen?
O jemine, da hätte ich mich ja vorbereiten müssen! Das war 1994, in die 1. Klasse.

Wie ist es Ihnen in der Klasse ergangen?
Ja, ich war mittendrin. Es war unruhig. Es sind Kinder abgegangen und dazugekommen ... in der 3. Klasse hatten wir dann einen gewissen Kern. Der blieb dann sozusagen bis zum Ende der Schulzeit.

Was waren Ihre Lieblingsfächer?
Sport. In den unteren Klassen auch Englisch. Herr Levin hat das so toll gemacht mit seinen Fingerpuppen. Und Musik war auch super.

Gibt es Erlebnisse, an die Sie sich gerne erinnern?
Klassenreisen waren immer super. Es fing an mit dem Elternwochenende, was wir in der 3. /4. Klasse gemacht haben. Wo wir alle zusammen losgefahren sind, in den Wald rein, Schnitzeljagd gemacht haben. Dann das erste Mal auf dem Bauernhof, das war einfach super. Da haben wir Lagerfeuer am See gemacht. Und später in der 6. 'ne Radtour an die Schlei. Die Aktionen, die wir da gemacht haben, bleiben so im Kopf hängen.

Gibt es auch Erlebnisse, an die Sie sich gar nicht gerne erinnern?Erstaunlicher Weise – nö. Also, das Positive überwiegt. Klar, es gibt so Sachen, dass man getriezt wird, sich an den Berg von Aufgaben hinsetzen soll und man denkt: 'Jetzt schmeiß ich das alles hin'. Aber im Endeffekt hilft das alles ja nur, dabei zu bleiben. Aber in dem Alter interessiert man sich noch nicht dafür, dass man das irgendwo noch gebrauchen kann. Und ab einem gewissen Alter denkt man dann nur: 'Hauptsache ich hab das gemacht und kann es irgendwann mit aufs Papier schreiben. '

Gibt es Veränderungsvorschläge, die sie der Schule und den Schüler wünschen würden?
Ja, und zwar dass die Schule, auch wenn die Außenwelt den Anschein gibt, dass man immer schneller und besser sein muss in der Leistung, ihr Konzept, was 100 prozentig stand, wie ich hier zur Schule ging, einfach weiter durchfährt und nicht darauf achtet, ob ein riesen Leistungsdruck von außen kommt. So, wie sie war, soll die Schule einfach weiter bleiben. Und das Arrangement der Lehrer auch aufrecht erhalten. Das ist schon der richtige Kurs, auf dem die Schule ist. Und nicht versuchen, anderen gerecht zu werden.

Und warum ist das der richtige Kurs?
Ich bin hier mit einem durchschnittlichen Hauptschulabschluss abgegangen. Und es fing schon damit an, dass ich mich auf eine Stelle beworben hab, die für Abiturienten und Realschulschüler mit 1.0 ausgeschrieben war. Nur anhand meines schriftlichen Zeugnisses hat er gesehen: das passt. Ich wurde zum Bewerbungsgespräch eingeladen und habe drei Jahre lang die Ausbildung als Frisör in einem High Society Laden in Eppendorf gemacht und anschließend dort weiter gearbeitet. Bei Kasse und anderen Dingen hat er mir geholfen, aber er hat gesehen, dass der Kundenumgang gut war, dass das Soziale klappte. Also z.B. Abwaschen, ohne dass die Küche hinterher aussieht wie ... Die praktischen Fähigkeiten (Kaffekochen, Loch an der richtigen Stelle in die Wand bohren etc.) sind ganz, ganz wichtig. Andere Azubis haben sich im Keller 'eingewischt'. Die haben die Treppe geputzt und unten gewartet, bis die Treppe getrocknet war – das dauerte dann 'ne halbe Stunde. Die hatten keine praktische Erfahrung. 

Sie haben also nach der Schule die Frisörlehre gemacht. Und dann?
Ja. Und nebenbei habe ich ganz viel Jugendarbeit gemacht und eben die Musik (Band 'Rükkenwind'), die an mir hängen geblieben ist. Hab dann anderthalb Jahre rumgetingelt und was Neues gesucht und bin dann bei dem Circus Mignon gelandet. Da habe ich zwei Jahre lang die technische Leitung gemacht. Und Musik nebenbei. Inzwischen habe ich eine eigene Firma, die sich um die Musik kümmert, hab noch eine Stuntman-Ausbildung drangehängt und mach jetzt das, wozu ich Lust hab.

Heißt das, dass Sie jetzt rundum zufrieden sind und eigentlich keine Zukunftspläne haben?
Doch, Zukunftspläne schon. Drei Sachen habe ich im Augenmerk: die Veranstaltungstechnik für den Circus Mignon und andere, dann habe ich ja meine Stuntschule, die mich für die Hapag-Lloyd-Kreuzfahrten auf der MS Europa I und II als Stuntman und Modell vermarktet, und die macht auch die Organisation für die Band. Das sind die Sachen, die ich verfolge.
Ich werde immer wieder gefragt, ob man davon leben kann. Ja. Ich sehe immer wieder auf den Kreuzfahrten Leute, die ein Schweinegeld haben und am Ende doch nicht glücklich sind, weil sie den ganzen sozialen Kontakt nicht haben. Manchmal ist es im Monat ein bisschen knapp, aber dafür habe ich zig Freunde, mit denen ich Spaß haben kann und nicht die großen Scheine wedeln muss. 

Können Sie ganz konkret sagen, ob und womit die Christophorus-Schule Sie direkt auf Ihr Berufsleben vorbereitet hat?
Na klar! Also dadurch, dass ich ja kein leichter Schüler war - ich war hyperaktiv und hatte immer meinen eigenen Kopf - wäre das an einer anderen Schule ganz katastrophal mit mir geworden. Also, ich wäre wahrscheinlich, da gehe ich stark von aus, ein Prügelknabe geworden, wenn man auf mich nicht so eingegangen wäre, wie man hier auf mich eingegangen ist. Und alles, was man hier beigebracht bekommen hat, hat dazu beigetragen mich so zu formen, wie ich halt jetzt bin. Man nimmt die Sachen auf und baut sich dann selber auf. Und was man hier gelernt hat, kann man im Alltag gebrauchen.

Vielen Dank für das Gespräch, René!

Das Gespräch führte Almuth Zimmermann