Meine Zeit an der Christophorus Schule (1983-1995)

Von Patrick Rabe

Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst Du nur das Zauberwort…

Dieses kurze Gedicht von Joseph von Eichendorff fiel mir spontan ein, nachdem ich gebeten wurde, etwas über meine Schulzeit zu schreiben. Es trifft den Kern meiner Erfahrungen mit der Christophorusschule, und so will ich der Spur dieses Gedichtes folgend das für mich Wichtigste beleuchten.

Die Christophorusschule beeindruckte mich vom ersten Tag an. Das feierliche Zeremoniell (damals in der Aula der RSS), das Lied „Die Mutter Sonne“, das Märchen von unserem Klassenlehrer, die Schultüte mit dem „harten Brötchen“ und die Sonnenblume. Ganz schön viele Eindrücke! Was mir sofort erfahrbar wurde, war dies: Da wird sehr viel dafür getan, um den Kindern etwas Besonderes zu vermitteln, vielleicht sogar in gewisser Weise etwas Heiliges. Tief eingeprägt hat sich mir die Zeile aus einem dort gesungenen Lied: „Dass wir singend Lasten tragen, scheint die Sonne in die Welt!“

Ich bin heute Schriftsteller und was mich daher selbstredend an den ersten Schuljahren am Meisten beeindruckte, waren die vielen Geschichten, die uns unser Klassenlehrer und die anderen Lehrer erzählten. Auch das „von der Pike auf“-Begreifen von Wolle und Handarbeitszeug, die ersten pentatonischen Flöten, die erste phantasievolle Eurythmie begeisterten mich. Es mag sein, dass das in gewisser Weise eine (Wieder-)Verzauberung der Welt war, wie ein anthroposophischer Nebel, den viele an der Waldorfschule so kritisieren, aber mir kam diese Atmosphäre sehr gelegen. Wieder schien es mir, als solle uns hier das Staunen erhalten und wachgerufen werden, das Bewusstsein davon, das jedes Ding auf dieser Welt etwas Besonderes hat, eine Geschichte, ein Lied. Ehrfurcht und Achtung vor der Welt und den Menschen, das hat man mir mitgegeben.

Natürlich sah das in der Praxis oft anders aus. Nicht selten mobbten in den Klassen die stärkeren Schüler die Schwächeren, sehr bald kam die Frage auf: Wer ist hier eigentlich behindert und überhaupt: Wie behindert bin ich eigentlich? Vergleiche zwischen sich und den Kameraden blieben da nicht aus.

Ich liebte das damals noch sehr weitläufige, grüne Schulgelände, auf dem man (teils auch unbeobachtet) viele Abenteuer erleben konnte. Der Englischunterricht begeisterte mich. Er brachte uns die englische Sprache mit viel Humor, mit Handpuppen und den möglichsten und unmöglichsten Gegenständen und ab und zu auch einer kleinen Gitarreneinlage nahe. Hier studierten wir auch erste kleine Theaterstücke ein, was mich sehr begeisterte. Und spätestens nach unserem 8-Klass-Spiel wusste ich: Die Schauspielerei würde immer eine feste Größe in meinem Leben bleiben. Mit ca. 14 Jahren schrieb ich auch meine ersten eigenen Stücke, ein englisches und ein deutsches, die beide von meiner Klasse aufgeführt wurden.

Die Mythen und Sagen der Völker, die wir kennenlernten, beeindruckten mich, eine besondere Affinität hatte ich zur griechischen Mythologie, die ich als sehr prall und lebensecht empfand. Auch, dass dort ein Held nicht durchgängig „gut“ war, gefiel mir.

Ab der Oberstufe nun begann sich der „lila Nebel“ zu lichten. Ich entwickelte politisches Bewusstsein, schrieb für unsere Epochenhefte und die Schulzeitung engagierte Artikel. Die Auseinandersetzung mit dem 3. Reich erschütterte mich und schuf in mir das Bewusstsein, dass jeder dieser 6 Millionen Juden ein wertvoller, einzigartiger Mensch gewesen ist und dass solche Grausamkeiten nur möglich sind, wenn man nicht mehr Individuen sieht, sondern nur die „graue Masse“. Diese Erkenntnisse nutzen mir noch heute bei meinem politischen Engagement. Als repressiv erlebte ich bei allen in der Oberstufe gelockerten Zügeln z.B. das Verbot von Walkmen auf Klassenreisen und das „Totschweigen“ der Tatsache, dass in den meisten Schülerhaushalten ferngesehen wurde.  Das führte manchmal zu einer Art Doppelleben. Das Landbaupraktikum erlebte ich als sehr bereichernd und kräftigend, die weiteren Schulpraktika verblassten daneben.

Ab etwa dem 17. Lebensjahr begann ich, spirituelle Erfahrungen zu machen, ich fand den ersten Schlüssel zu meinem Ich und zu den Dingen der Welt, hatte „über Nacht“ z.B. ein tieferes Verständnis für die Bedeutung von Farben und für die Eurythmie, zu der ich bis dahin keinen rechten Zugang finden konnte.

Heute bin ich Schriftsteller und Laienschauspieler, habe 2011 ein eigenes Buch herausgebracht, habe 7 Jahre lang in einer Bibliothek gearbeitet und engagiere mich im Landesverband Psychiatrie-Erfahrener. Ich denke, es ist deutlich zu sehen, dass es in meinem Leben rote Fäden gibt, deren Verlaufsbeginn man schon in meiner Schulzeit findet. Dies ist ein Bericht mit Mut zur Lücke. Man sollte als Eltern keine Angst haben vor einem ungeraden Weg des Sprösslings, denn es ist viel wichtiger, dass der junge Erwachsene sich selbst findet und verwirklicht, als dass er abgesichert ist. Ich kann da allen Eltern und auch Schülern nur Mut machen!!! Ich danke an dieser Stelle allen meinen Lehrern und wünsche Ihnen weiterhin gutes Gelingen!

Wer in meine Geschichten und Gedichte mal reinlesen möchte, dem empfehle ich das Internetforum e-stories.de, auf dem ich zwei Profile habe!

Liebe Grüße, Ihr und Euer Patrick Rabe